Afghanistan’s Parliament in the Making
Afghanistan’s Parliament in the Making
Afghanistan - Geschlechterverständnis und politische Praxis in Zeiten von Übergang und Aufbau
Vorwort von Barbara Unmüßig
Die Heinrich-Böll-Stiftung unterstützt seit Frühjahr 2002 in Afghanistan Projekte zur Förderung von Demokratie und Mitbestimmung von Männern und Frauen am Wiederaufbauprozess des Landes. Sie hat erfolgreich den Aufbau der „Women and Children Legal Research Foundation“ (WCLRF) unterstützt sowie eine langjährige Kooperation mit dem Afghan Women‘s Network (AWN) etabliert, die vor allem im Advocacy Bereich tätig ist.
Ein Anliegen der Stiftung war es von Anfang an, Frauen an Entscheidungen stärker zu beteiligen, und wir müssen heute feststellen, dass wir vom Projektziel gleichberechtigter, freier und politischer Mitbestimmung der gesamten Bevölkerung weit entfernt sind. Besonders lang scheint der Weg dorthin in Süd- und Südostafghanistan zu sein.
Unkontrollierte Gewalt und kaum Frauenbeteiligung am öffentlichen Leben
Im Wahljahr 2009 ist auch unsere Bilanz nach sechs Jahren harter Arbeit ernüchternd: Frauen beteiligen sich immer weniger am öffentlichen Leben. Unkontrollierte Gewalt prägt das Land weiterhin. Anschläge, Selbstjustiz oder gerichtliche Verfahren, die den Grundsätzen der Menschen- und Frauenrechte entgegenstehen, sind an der Tagesordnung. Die Sicherheitssituation verschlechtert sich im Gleichschritt mit dem wachsenden Verdruss über die ausbleibende Erfolge und mangelnde Funktionsfähigkeit der bestehenden demokratischen Strukturen. Darüber vergessen wir oft, in wessen Händen die Macht eigentlich liegen sollte – und wer die gesetzlichen Grundlagen hierfür schaffen soll: die Parlamentarierinnen und Parlamentarier, die in diesen bewegten Zeiten des Übergangs unbeirrt am Staatsaufbau arbeiten.
Inwieweit gelingt es diesen gewählten Vertreterinnen und Vertretern aus der Bevölkerung tatsächlich,, Alternativen zu den etablierten traditionellen Machtstrukturen zu erschaffen? Welchen Hindernissen sehen sie sich ausgesetzt? Welche Fraktionen bilden sie?
Mit Blick auf die Wahlen findet weder ein Wahlkampf mit Kandidaten, offenen Wahlveranstaltungen, Bürgeranhörungen und Informationsbroschüren statt, noch funktioniert ein transparentes, egalitäres und gerechtes Regierungssystem.
Die parlamentarische Arbeit in Afghanistan
Das vorliegende Buch untersucht auf der Grundlage von Interviews mit Parlamentarierinnen und Parlamentariern, die 2007/2008 in Kabul geführt wurden, die Realität der parlamentarischen Arbeit in Afghanistan. Es gibt Aufschluss darüber, wie divers und zwingend die Identifikationsmuster über Geschlechtergrenzen hinaus sind, die in Afghanistan herrschen. Allen voran stehen die Familie, der Klan, die ethnische Zusammengehörigkeit; auch regionale Herkunft und Status spielen eine Rolle. Während es für Frauen in der Öffentlichkeit gefährlich, sogar tödlich sein kann, diese Identitäten zu ignorieren, zieht es keine Sanktionen nach sich, nicht solidarisch mit anderen Frauen zu sein. Die Kooperation unter weiblichen Parlamentariern ist entsprechend schwach ausgeprägt.
Selten war es in vergleichbarer Weise möglich, Erkenntnisse über Selbstbild und Rolle von Parlamentarierinnen zu gewinnen. Von den 91 Volksvertreterinnen in beiden Häusern nahmen 76 an der Studie teil. Gerade die Frage nach Bereichen, in denen gleiche Interessen zur Kooperation führen könnten, gibt wertvolle Hinweise darauf, wie man die parlamentarische Arbeit in der Zukunft unterstützen kann. Themen für Koalitionen ausschließlich weiblicher Abgeordneten müssen sich notwendigerweise auf die Interessen der gesamten Bevölkerung richten – zuvörderst Sicherheit, Gesundheit und Bildung – damit sie eine Chance haben, mehr politisches Gewicht zu erlangen.
Barbara Unmüßig ist Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung
Afghanistan’s Parliament in the Making
Gendered Understandings and Practices of Politics in a Transitional Country
By Andrea Fleschenberg
Edited by the Heinrich Böll Foundation in cooperation with UNIFEM
192 pages, photos, graphics
ISBN 978-3-86928-006-6
Bestelladresse:
Heinrich-Böll-Stiftung
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